interview

"Ich würde alles stehen und liegen lassen für eine Reise ins Weltall"

Mitarbeiter Portrait (Interview) bei meinem aktuellen Arbeitgeber (Mai 2016)

Für mich ist Astronomie im wahrsten Sinne des Wortes eine Erweiterung des Horizonts. In einer lauen Sommernacht in der Natur meine Geräte aufzustellen und Planeten, Sternhaufen, Nebel und Galaxien zu beobachten und zu fotografieren, ist etwas Wunderbares. Astronomie spielt sich bei Dunkelheit, im Freien und in absoluter Stille ab und hat deshalb für mich auch etwas sehr Beruhigendes

Mit 14 Jahren kaufte ich mit meinem Ersparten und einem Zustupf der Eltern ein Fernrohr. Ein paar Jahre später verlagerten sich meine Interessen, und ich verkaufte es wieder. Bis ich erneut in die Welt der Astronomie eintauchte, vergingen mehr als zwanzig Jahre.

Mich faszinieren offene Sternhaufen und Kugelsternhaufen, aber auch Paradeobjekte wie der Orionnebel oder die Planeten Saturn und Jupiter. Ein Highlight ist auch in einer Neumondnacht im August die Milchstrasse mit den vielen Sternschnuppen des Perseiden-Stroms zu betrachten.

Ich kenne die wichtigsten Sternbilder, nutze aber die technischen Errungenschaften wie Laptop, Apps und den «Bordcomputer» meines Teleskops. Wenn ich am Handcontroller den Namen des Objekts eingebe, fährt meine Montierung automatisch das gewünschte Ziel an. In meinen Anfängen standen mir diese technischen Hilfsmittel noch nicht zur Verfügung, und ich setzte mich mehr mit dem Himmel auseinander. Heute stelle ich Beobachtungspläne unter Anderem online mit Hilfe einer Deepsky-Datenbank zusammen.

Geduld, technisches Verständnis und sehr viel Zeit. Geduld, bis man sich die ganze Theorie und die Techniken angeeignet hat. Technisches Verständnis, um alle Komponenten exakt aufeinander abzustimmen. Sehr viel Zeit, weil die Geduld, das technische Verständnis und last, but not least das Wetter nicht immer in Einklang miteinander stehen.

Der Ort ist ideal, weil sich keine grössere Stadt in der Nähe befindet und somit auch fast keine Lichtverschmutzung die Beobachtung stört. Zudem befindet sich das Wochenendhäuschen zirka eineinhalb Kilometer ausserhalb des Dorfs. Der Ort strahlt auch Kraft und Ruhe aus, und ich kann mich wunderbar entspannen.

Mein «Lost.In.Space.Observatory» ist leider nicht zu hundert Prozent stationär. Bei jedem Besuch installiere ich die Gerätschaften (total 65 Kilo) neu vor dem Haus: Dreibeinstativ, Teleskop, Okulare, Adapter, Filter und einen Indoor-Laptop, damit ich in kälteren Nächten per Remote auf den Outdoor-AiO PC zugreifen und das Teleskop bewegen oder auch Fotoserien starten kann. Als letzte Vorbereitung richte ich dann das Teleskop parallel zur Erdachse aus: Mit der Montierung führe ich den Alignment-Prozess durch, und nach zirka 30 Minuten kann es endlich losgehen!

Das Killerkriterium für jede visuelle Beobachtung ist der Mond – sofern man nicht ihn ins Visier nehmen will. Mit seiner Helligkeit überstrahlt er alles und verunmöglicht das Beobachten von lichtschwachen Objekten. Geeignet sind deshalb nur klare, mondlose Nächte.

Das Schauen will in der Tat gelernt sein. Das Beobachten mit nur einem Auge ist sehr anstrengend. Innert kürzester Zeit stellt sich eine Überlastung ein. Ich habe mir deshalb vor ein paar Wochen ein Binokular angeschafft. Für eine gute Session spielt auch das Sitzen und warme Kleidung eine wesentliche Rolle. Denn nur im Sitzen kannst du entspannt und lange in die Tiefen des Alls schauen.

Ich stelle mir natürlich die Fragen, woher all diese Masse, diese Milliarden von Sternen, Sonnen und Galaxien kommen und wohin es wohl gehen wird. Schlüssige Antworten darauf sind für mich aber spätestens beim Urknall Mangelware. Deshalb geniesse ich, ohne gross nachzudenken, den Moment und die Schönheit des Universums durch meine Fernrohre.

«In der Nacht sind alle Katzen grau» oder anders formuliert: Das Auge sieht leider in der Nacht nur schwarz-weiss. Mit der Fotografie lässt sich mehr Licht einfangen, da ich ein Objekt mehrere Stunden belichten kann. So werden verborgene Details und – dank spezieller Filter – traumhafte Farben sichtbar. Die Astrofotografie ist die Königsdisziplin der Astronomie, und ich stehe noch ganz am Anfang des Lernprozesses.

Den grössten Teil durch Recherchen im Internet sowie mithilfe von Fachbüchern und Anfragen beim Teleskophändler meines Vertrauens. Das Spannende am Internet ist, dass man bei der Suche in den Foren auf immer neue Ansätze und Lösungen stösst, die wiederum in neue Fragen zu verwandten Themen münden. Oder man findet Ideen, wie man das Equipment verbessern kann. Als nächstes Projekt werde ich den Tubus in seine Einzelteile zerlegen und inwendig mit schwarzer Velourfolie auskleiden. Damit errreiche ich eine Verbesserung des Bildes bzw. des Kontrasts.

Ja, ich glaube daran – in welcher Form auch immer. Obwohl ich auch skeptische Momente habe. Bedenkt man zum Beispiel, wie riesig das sichtbare Universum mit einem Radius von ca. 46 Milliarden Lichtjahren ist, oder dass wir für eine Reise zur nächsten Sonne (Proxima Centauri) ca. 70’000 Jahre benötigen würden, obwohl sie «nur» mickrige 4,3 Lichtjahre entfernt liegt, so minimiert dies die Wahrscheinlichkeit, dass es trotz der Milliarden von Galaxien ausserirdische Lebewesen gibt. Es könnte andererseits aber auch wieder erklären, wieso noch nie jemand bei uns vorbeigeschaut hat.

Jede Nacht hat etwas Spannendes. Paradoxerweise ist mir ein Erlebnis während des Tages besonders in Erinnerung geblieben: die Sonnenfinsternis im März 2015. Als sich der Mond langsam vor die Sonne schob, spürte ich, wie es merklich kühler wurde. Die Vögel um mich herum verstummten abrupt; es herrschte eine bedrückende Stille. Das war sehr eindrücklich.

Aus dem Paranal-Observatorium in der Atacama-Wüste in Chile.